Was gleitet fast geräuschlos, gegebenenfalls unbemannt, im Vierminutentakt über die Aare, mit jeweils 10 bis 15 Passagieren samt Kinderwagen und Fahrrädern an Bord, löst die örtlichen Verkehrsprobleme und ist dabei noch sparsam und denkmalschutztauglich?
Bereits in achter Generation wird auf der Aare in Thun bei der Kirche Scherzligen eine Fähre betrieben. Die aktuelle Lösung stützt sich auf das persönliche Engagement einer Fährfrau, die längst das Pensionsalter erreicht hat und ist im Umfang sehr eingeschränkt: Die Fähre ist nur bei guter Witterung und an maximal drei Nachmittagen pro Woche in Betrieb. Gleichzeitig hat die Stadt Thun ein erhebliches Verkehrsproblem: Stau gehört gewissermassen zur Tagesordnung.
Vor diesem Hintergrund hat der Verein Panorama-Rundweg Thunersee mit ProVelo und dem VCS entschieden, nach einer neuen Lösung Ausschau zu halten. Von Beginn weg war klar, dass die neue Lösung umweltfreundlich sein sollte: Eine wie bis anhin dieselbetriebene Motorfähre kam deshalb nicht in Frage. Wegen des regen Personen- und Transportschiffverkehrs auf dem fraglichen Aareabschnitt war zudem bald klar, dass die ansonsten in der Schweiz verbreitete Seilfähre mit Seilen in der Luft aus technischen Gründen nicht umgesetzt werden könnte.
Eine moderne, solarbetriebene Kettenfähre hingegen könnte alle denkbaren Vorteile vereinen: Sie ist auch bei stark erhöhter Frequenz umweltfreundlich, sie kommt dem Schiffverkehr im auslaufenden Thunersee nicht in die Quere, sie ist rollstuhlgängig, denkmalschutzkonform und könnte ggf. sogar unbemannt betrieben werden – letzteres ein wichtiger Punkt bezüglich der Betriebskosten.
Derzeit bereitet der Verein die Unterlagen vor, um beim BAV eine nationale Konzession für den Fährbetrieb zu erwirken. Interessantes Detail: Lange ging der Verein Panorama-Rundweg Thunersee davon aus, dass, wie bei allen anderen Fährbetrieben in der Schweiz, lediglich eine kantonale Bewilligung nötig ist. Weil sich die Fähre in Thun aber anders als die anderen Schweizer Fähren auch an Pendlerinnen und Pendler richtet, braucht sie schlussendlich eine nationale Konzession.
Das Projekt Kettenfähre schreitet plangemäss voran. Die Arbeitsgruppe war über die letzten Monate stark mit der Planung der zukünftigen Fähre beschäftigt. Neben unseren Ingenieuren, arbeiten Nautikspezialisten der Firma Shiptec mit an dem Vorhaben. Bei Shiptec handelt es sich um die grösste Schweizer Werft, welche über ein breites Wissen im Schiffsbau verfügt. Sie ist in Luzern angesiedelt.
Unser Projekt ist visionär und in der Schweiz einzigartig. Es gibt noch keine Fähre, welche an einer Kette ein Gewässer kreuzt. Doch die diversen Vorzüge liegen auf der Hand und so freut es uns sehr, dass die Fachspezialisten des Bundesamtes für Verkehr (BAV), gemeinsam mit uns, aktiv nach Lösungen suchen, um eine Konzession erteilen zu können.
Für das BAV ist das Fährprojekt in doppelter Hinsicht ein spannender Ausnahmefall. Erstens unterstützt die Behörde das Projekt nicht nur im Rahmen des Förderprogramms ESöV 2050, sondern ist gleichzeitig Bewilligungsbehörde. Zweitens tritt das BAV als Konzessionsbehörde hier einem kleinen Verein gegenüber – wo sonst um ein Vielfaches grössere Unternehmen stehen.